Geschichte der Papierhandlung Reinhold Menzel

Wenn wir über die Geschichte unseres Geschäftes erzählen, geht das wohl nicht ganz, ohne die Zeitumstände zu bedenken. Für viele jüngere Leute ist ja heute schon unvorstellbar, wie es zu Zeiten der DDR war, wie viel mehr, was davor war. So wird unsere Geschichte zu einem kleinen Exkurs in unsere gemeinsame Vergangenheit. Sie sollten sich ein bisschen Zeit dazu nehmen. Fehlt Ihnen jetzt gerade die Zeit, dann gehen Sie einfach zurück auf unsere Startseite. Aber vielleicht entdecken Sie hier auch ein paar Ihnen noch bekannte Dinge.

Unsere Geschichte:

Nachdem Deutschland 1871 endlich wieder ein richtiges Kaiserreich war und in Berlin ein richtiger Kaiser residierte und der Erzfeind Frankreich endlich gezähmt war, entwickelte sich im neuen Deutschen Reich eine Aufbruchstimmung, wie sie hernach kaum noch einmal zu Stande kam.
Da machte sich auch ein Mann, dessen Eltern ihn auf den Namen Reinhold hatten taufen lassen, Gedanken, wie er sein Leben sinnvoll und einigermaßen effektiv gestalten könnte. Er wollte sich gern zu den Bürgern der Stadt rechnen lassen, die etwas bedeuten und etwas bewirken. Und da sein Vater Lehrer war, kam er auf die Idee, die Materialien, die ein Schüler so braucht und im späteren Leben eigentlich alle brauchen, zu besorgen und zum Kauf anzubieten.
Also kaufte er ein Haus in der Reichenberger Straße in Zittau und eröffnete dort im Jahre 1876 die Papierhandlung Reinhold Menzel.
Das Interesse an seinem Geschäft wurde sehr bald so groß, dass er sich veranlasst sah, den Geschäftsraum (ursprünglich ca. 20 qm - mit so wenig kam man damals aus!) zu vergrößern. Es wuchs auch das Sortiment und bald noch einmal die Geschäftsräume.

Außerdem wuchsen in seinem Hause bald drei Knaben heran, der Älteste Paul mit seinen Brüdern Georg und Alfred.
Das Geschäft lief gut. Man war jemand und man konnte sich etwas leisten. Auch der Stadt ging es gut. Man entschloss sich sogar zum Bau einer Straßenbahn, deren eine Linie auch durch die Reichenberger Straße führte.
Die Söhne wuchsen heran und Paul bereitete sich darauf vor, in das Geschäft seines Vaters einzutreten und es schließlich zu übernehmen.
Nachdem Paul aus dem Nachbarhaus sich seine Frau geholt und geheiratet hatte, übernahm er 1910 das Geschäft.
Bald kamen Kinder ins Haus, Charlotte und Susanne. Das Geschäft lief auch weiter gut, nur begann nun der Krieg, den man später Weltkrieg und noch später den 1. Weltkrieg nannte. Paul musste schließlich auch noch ins Feld, aber was war das schon gegen das, was 25 Jahre später begann! Es musste eben eine Weile ohne ihn gehen. Was dann folgte, war nicht mehr so schön. Es war ja ein Zusammenbruch, wie man ihn seit Menschengedenken nicht erlebt hatte. In welchem Licht musste da das Leben erscheinen, wie es die Erinnerung aus den Jahren am Ende des 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts bewahrte.

Alles war jetzt knapp. Nur langsam ging es wieder aufwärts. Aber da begann schon wieder die Inflationszeit. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie schnell der Wert des Geldes verfiel. Das Geld, das am Tage eingenommen wurde, war am nächsten schon viel weniger wert. Es wird erzählt, das die Tageseinnahme in der Schürze weggetragen werden musste.
Viele Existenzen wurden in dieser Zeit vernichtet. Die Straßenbahn, einst Stolz der Stadt, musste schon wieder eingestellt werden. Zu wenige konnten sich noch leisten, damit zu fahren, zumal die Entfernungen nicht so groß und die Leute gewohnt waren zu laufen.
Aber Paul schaffte es. Zum Glück gehörte das Haus der Familie. Es war auch etwas finanzielles Polster da. Und nach der Währungsreform ging es wieder aufwärts, aber eben leider wieder nicht lange. In dem Maße, wie bald wieder die Arbeitslosigkeit stieg, sank die Kaufkraft und damit natürlich auch der Umsatz und erst recht der Gewinn im Handel.

Die "Machtübernahme" Adolf Hitlers wurde von sehr vielen im Volk mit großen Hoffnungen verbunden. Es musste doch endlich wieder besser werden. So wurden auch die Maßnahmen, die die neue Regierung einleitete, vielfach als entschlossenes Handeln verstanden, eine bessere Zukunft aufzubauen.
Wenn man aus heutiger Sicht diese Zeit betrachtet, fällt es manchem schwer, zu verstehen, wie es zu dem kommen konnte, was nach 1933 begann und schließlich so schrecklich enden sollte. Aber wer sich unvoreingenommen mit jener Zeit befasst, wird sich vieles erklären können.
Für die Wirtschaft und das Geschäft begann eine Zeit des Aufschwungs. Als schließlich das Sudetenland an das "Reich" "angeschlossen" wurde, war Zittau plötzlich vom Rande Deutschlands zu einem interessanten Zentrum auch für die böhmische Kundschaft geworden.
Das wirkte sich auch auf unser Geschäft positiv aus. Es kamen einige gute Jahre wie lange nicht mehr.

Der beginnende Krieg hatte zunächst kaum Auswirkungen auf die Situation im Handel. Das Angebot wurde nur wenig durch den stärkeren Bedarf der Wehrmacht eingeschränkt, und Geld hatte man ja genug. Das änderte sich natürlich mit dem weiteren Verlauf des Krieges.
Durch die massiven Bombardements wurden mehr und mehr auch Fabriken und Lager und schließlich auch Verkehrsverbindungen, besonders die Bahn, die ja damals der Hauptträger des Güterverkehrs war, geschädigt. Die Qualität der Waren wurde zunehmend schlechter, das Angebot knapper. Trotzdem blieb die Papierhandlung Menzel eine wichtige und verlässliche Bezugsquelle für die Artikel ihres Sortiments.
Anfang 1944 starb Paul Menzel. Fast bis zuletzt war er um sein Geschäft, für seine Kunden bemüht. Jetzt mussten seine Frau und ihre beiden Töchter die schwierige Situation allein bewältigen.
Die ältere Tochter, die Lotte, hatte 1938 geheiratet und hieß jetzt Fiebiger. Ihre beiden Söhne lernten ihren Vater nur als auf Urlaub zu Hause weilenden Soldaten kennen. Die andere Tochter, die Suse, heiratete 1944 und hieß nun Peter. Natürlich war auch ihr Mann "im Feld". Neben dem knapperen und schlechteren Warenangebot erschwerten gelegentliche nächtliche Fliegeralarme auch das Leben der Zittauer. Dazu kamen die Sorgen um die Männer an der Front und die Angst vor den Feinden, die der Heimat immer näher rückten, wenn es auch damals hieß, der Krieg käme nicht nach Zittau, weil hier die "blauen Steine" sind.
Aber es war doch nicht ganz so.

Am 7. Mai 1945 war nichts mehr wie es einst war. Zwar schien die Sonne, aber eine große Angst vor den Russen, die ja ganz nahe sein mussten, beherrschte die Menschen. Man versuchte, in den wenigen noch geöffneten Geschäften Vorräte zu erwischen und bereitete sich auf die "Flucht" vor.
Die wichtigsten Sachen wurden in Sicherheit gebracht, sofern man sie nicht mitnehmen konnte. Nach dem Mittag war wohl kein Geschäft mehr geöffnet.
Und dann kamen die Flieger.
Die Familie Menzel und die im Hause untergebrachten aus Ostpreußen vor den Russen Geflohenen hatten sich zum Abmarsch fertig gemacht, als Alarm gegeben wurde.
Noch nie war er so ernst genommen worden. Menschen auf der Straße versuchten in Häusern Schutz zu finden. Im engen Keller fanden die Bewohner unseres Hauses gerade Platz.
Und dann fielen tatsächlich Bomben. Schaufensterscheiben zersplitterten. Nur wenige Hundert Meter entfernt wurden Häuser getroffen und zerstört.
Als es wieder ruhig war, eilten wir los. Es war ein weiter Weg bis zum Bahnhof Zittau-Vorstadt, denn von "Schießhaus" (jetzt "Zittau Süd") fuhr schon kein Zug mehr. Unterwegs waren wieder Flieger zu hören, zum Glück auf dem Weg ein Haus in der Nähe, das ein bisschen Schutz bieten konnte, aber es waren keine Detonationen zu hören. Als wir endlich im Zug saßen, ein Dach über dem Kopf, war ich froh, erst recht, als er endlich fuhr.
Es ging zuerst nach Oybin, aber wir wollten nach Jonsdorf, wo wir dann im Dunkeln endlich bei einer bekannten Familie ankamen.
Nach etwa einer Woche wagten wir uns wieder nach Hause.
Das leichte Chaos im Hause war für uns Kinder aufregend. Wunderschön aber war, dass fast alles Altvertraute noch da war. Im Garten hinterm Hause blühte der Flieder.

Der Neuanfang nach dem Kriege war zunächst nicht so schlimm wie von vielen befürchtet. Überall wurden aus weißen Tüchern gefertigte Fahnen gehisst.
Eines Tages hieß es, "ab morgen gibt es wieder Gas". So wurde nach und nach alles wieder ein bisschen normaler, und die Menschen schöpften wieder Mut zum Weiterleben. Junge Leute, die den Krieg als etwas Furchtbares elebt hatten, packten voller Mut zu, um ein besseres Deutschland aufbauen zu helfen.

Nach einiger Zeit konnte auch unser Geschäft wieder geöffnet werden. Das übernahm nun die jüngere Tochter Suse Peter, die es dann bis 1990, lange Zeit mit ihrer Schwester und ihrem Mann, führte.
Die Warenbeschaffung war sehr mühsam. Es gab ja nun so kurz nach dem Krieg wirklich kaum noch etwas.
Schultüten wurden aus Altbeständen von Tonkarton und ein paar Abziehbildern in eigener Arbeit angefertigt.
Toilettenpapier gab es nur gegen die Abgabe von Altpapier.
Da wurde manches improvisiert.
1953 versuchte die damalige Regierung, die Selbstständigen zur Aufgabe zu bewegen, indem diese keine Lebensmittelmarken mehr bekamen. Hier erwies sich der weite Kundenkreis als hilfreich. Mancher auf dem Lande konnte aushelfen. Zum Glück endeten diese Repressalien nach einigen Monaten nach dem 17. Juni mit dem "Neuen Kurs".

Der Handel in der DDR war später so geordnet: Es gab die staatliche Handelorganisation (HO), die Ende der 1940er Jahre gegründet worden war und in "freien Läden" zunächst hauptsächlich Waren, die es sonst nur auf Marken gab, anbot, die genossenschaftlich organisierte "Konsumgenossenschaft eGmbH" und die privaten Einzelhändler, die dann später auch als "Kommissionshändler" einen Vertrag mit "HO" oder "Konsum" abschließen konnten. Bei der Warenbestellung galt beim staatlichen Großhandel die Reihenfolge HO, Konsum, privat, und Kommissionshändler konnten mit ihren Vertragspartnern bestellen.

Trotz der Vorteile, die sich für Kommissionshändler ergaben, wurde die Papierhandlung Menzel immer als rein privates Geschäft betrieben. Sie hat sich dabei den Ruf erworben, den sie heute noch besitzt, hier zu bekommen, wonach man sonst vergeblich sucht.
Nachdem Deutschland endlich wieder ein einig Vaterland geworden und ein als groß gerühmter Staatsmann dem beigetretenen Osten blühende Landschaften an den Horizont gemalt hatte, begann auch in unserer Stadt ein fleißiges Wirken und Werken. Geschäfte wurden gegründet, einstige Industriegebäude, die plötzlich leer standen, umgebaut und umgenutzt; es entstanden riesige Verkaufsflächen. Zwar gab es bald nach dem historischen Datum einige Wenige, die warnten, die Fehler, die man in Westdeutschland einst gemacht hatte, nicht zu wiederholen, aber es war das Verlangen groß, endlich reichlich mit Waren versorgt zu werden, die man niun mit der D-Mark kaufen konnte. Ebenso gab es einen gewaltigen Expansionsdrang westdeutscher Haldelsketten nach dem Osten, und so war vieles in den Wind gesprochen, und der trug es fort in die Weiten....
Zu jener Zeit also, als alle Welt in Deutschland so optimistisch war, entschloss sich Reinholds ältester Urenkel, der Manfred Fiebiger, der in unserer Geschichte schon mal als kleiner Junge vorkam, das Geschäft seiner Tante abzunehmen und künftig mit seiner Frau Elisabeth weiter zu betreiben. Und weil sie noch nicht gestorben sind, so tun sie dieses noch heute.

Die Zeiten für den innerstädtischen Handel sind nicht leichter geworden. Großmärkte und Billiganbieter bedienen die Kunden mit teilweise tatsächlich, teilweise aber auch nur deklariert billigeren Waren, oft nur zu bestimmten Anlässen, sofern nur ein genügender Umsatz damit erzielt werden kann. Dem innerstädtischen Handel bleibt, die Lücken im Sortiment zu füllen, mit denen sich die Großen nicht abgeben. Immer wieder hören wir, "das ist in der ganzen Stadt nicht zu kriegen" oder "ich bin gleich zu Ihnen gekommen, denn wenn Sie das nicht haben, dann hat das niemand."
Mit unserer Kunden Hilfe wollen wir weiter versuchen so eine gute und verlässlicher Adresse zu bleiben.